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In ihrem Grundsatzprogramm plädiert die AfD für eine „zeitgemäße Medienpolitik“. Auf seiner Parteitagsrede im November gab Björn Höcke persönlich Einblick in die medienpolitischen Pläne der Partei: „Was passiert denn, wenn Höcke dann Ministerpräsident wird? Kündigt er denn die Medien-Staatsverträge? Ja, das macht der Höcke dann, ja!“ Die Kündigung des Medienstaatsvertrages (MStV) durch ein einzelnes Land ist rechtlich möglich, zieht jedoch im Hinblick auf den institutionellen Gehalt von Artwork. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und die Informationsfreiheit gemäß Artwork. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtliche Probleme nach sich, was die Grundversorgung mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk betrifft. Doch was dann? Ein wichtiger Aspekt einer „zeitgemäßen Medienpolitik“ wäre der Aufbau eines eigenen AfD-Parteisenders. Der wäre zwar mit § 53 Abs. 3 MStV unvereinbar, jedoch bieten sich die nach dem geltenden Thüringer Landesmediengesetz zulässigen sogenannten Bürgermedien als missbrauchsanfällige Different an.
Medien als Instrument autoritär-populistischer Parteien
Autoritär-populistische Parteien tendieren dazu, Institutionen, Verfahren und Normen zugunsten ihres Machterhalts zu „reformieren“. Die polnische PiS-Partei hat dies in eindrücklicher Weise gezeigt. Sie entmachtete nicht nur das Verfassungsgericht, sondern auch „das bis dahin für die Kontrolle des Rundfunks zuständige Verfassungsorgan Krajowa Rada Radiofonii“. Seit der Regierungsübernahme durch die PiS fungiert das öffentliche Fernsehen als Sprachrohr der Regierung. Der 2016 eingeführte Rat der Nationalen Medien, den die PiS dominiert, bestellt beispielsweise den Vorstand sowie die Programmdirektion der öffentlich-rechtlichen Sender. Dieser Einfluss hat sich im Vorfeld der diesjährigen Parlamentswahlen gezeigt. Der öffentliche Fernsehsender TVP hat 80 Prozent seiner Sendezeit für politische Berichterstattung zugunsten der PiS gefüllt. Die übrigen 20 Prozent entfielen auf die Oppositionsparteien.
Autoritär-populistischen Parteien sind nicht nur untereinander intestine vernetzt, sondern lernen auch voneinander. Grundsatzprogramm und Parteitagsreden verdeutlichen, dass die AfD genau prüft, welche „Reformen“ sich in Thüringen umsetzen ließen.
Die Bürgermedien des Thüringer Landesmediengesetzes
In einigen Bundesländern – etwa in Nordrhein-Westfalen, Bremen oder Thüringen – sieht das jeweilige Landesmedienrecht das Instrument der sogenannten Bürgermedien vor. Der Begriff der „Bürgermedien“ ist ein Oberbegriff für unterschiedliche Formen der direkten Bürgerbeteiligung an den elektronischen Massenmedien, der Distributionskanäle wie Printmedien, Radio sowie Fernsehen erfasst. Die Entwicklung der Bürgermedien hat in Westeuropa in den 1960er und 1970er Jahren begonnen und sollte different Inhalte zu dem Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schaffen, die einem strenge(re)n staatlichen Regelungsregime unterworfen waren. Theoretischen Einfluss hatte Hans Magnus Enzensbergers emanzipatorische Medientheorie. In seinem im Jahr 1970 im Kursbuch veröffentlichten Essay „Baukasten zu einer Theorie der Medien“ knüpfte Enzensberger an Brechts Radiotheorie an, wonach – verkürzt formuliert – jeder Empfänger zugleich auch ein Sender sein kann. Mit der 68er-Bewegung fiel diese emanzipatorische Medientheorie auf fruchtbaren Boden. Die außerparlamentarische Opposition forderte Sendezeiten für ihre politischen Forderungen und Positionen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein, dies jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Mit der Zeit gründeten sich immer häufiger „Freie Radios“ und „Piratensender“, die von Schiffen außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes sendeten, um sich dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Auch in der DDR gab es mit den „Piratensendern“ different Medien, die von den oppositionellen Bürgerbewegungen betrieben wurden.
Nach § 32 Abs. 1 des Thüringer Landesmediengesetzes (ThürLMG) sind Bürgermedien „nicht kommerzielle Angebote, deren Aufgaben insbesondere die Medienbildung und die Vermittlung lokaler und regionaler Informationen sind“. Weiter heißt es, dass die Bürgermedien die Bürger:innen „zu einem reflektierten und professionalisierten Umgang mit Medien bewegen“ sollen. Das Gesetz spezifiziert sodann in § 34 ThürLMG zwischen Bürgerradio und -fernsehen. Beide haben gemäß § 34 Abs. 1 ThürLMG einen publizistischen Auftrag, um lokale und regionale Informationen zu übermitteln. Die offenen Sendeflächen, 14 Stunden professional Woche, nutzen die Bürger:innen in eigener redaktioneller Verantwortung.
Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt, hob in einem Beitrag aus dem Jahr 2016 das partizipatorische Potenzial solcher Sender hervor: „[N]ichtkommerzielle Sender [ergänzen] die deutsche Rundfunklandschaft, indem sie allen Interessierten die Möglichkeit einräumen, eigene Themen zu kommunizieren oder sich an bereits bestehenden Diskussionen zu beteiligen. Diese Facetten der Bürgermedien, der Pluralismus und die politische Partizipation sind tragende Elemente unserer Demokratie“. Die Funkanalyse Thüringen 2022 hat ergeben, dass die Nutzungsanteile an Bürgermedien stetig zunehmen; quick jede:r Zweite kannte mindestens einen Bürgermediensender. Bei den Themen zeigt sich, dass eine starke Gewichtung im Bereich Kultur, Brauchtum und Custom liegt, gefolgt von Ratgeber- und Verbrauchertipps, Nachrichten aus (ganz) Thüringen sowie politischen und sozialen Missständen in der Area.
Der Missbrauch von Bürgermedien
Um in Thüringen Bürgerradios oder -fernsehen zu veranstalten, bedarf es nach § 34 Abs. 2 ThürLMG einer Zulassung durch die Landesmedienanstalt. Die Zulassungsvoraussetzungen werden in der sogenannte Bürgermedien-Satzung des Freistaats Thüringen näher geregelt. Nach § 5 Abs. 2 Bürgermedien-Satzung erhalten grundsätzlich nur „nichtwirtschaftliche eingetragene Vereine, deren Vereinszweck die Veranstaltung von Bürgerradio oder Bürgerfernsehen ist“ eine Zulassung. Darüber hinaus müssen sie nach § 6 Abs. 1 Bürgermedien-Satzung die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen für Rundfunkveranstalter erfüllen (§ 34 Abs. 2 ThürLMG i.V.m. §§ 8 ff. ThürLMG i.V.m. § 53 MStV). Politische Parteien sind von der Antragstellung grundsätzlich ausgeschlossen. Hier liegt das Missbrauchspotenzial. Die Partei könnte Personen für die Antragstellung gewinnen, die zwar über keine Parteimitgliedschaft verfügen, ihr inhaltlich aber trotzdem nahestehen. Bei der inhaltlichen Programmgestaltung der Bürgermedien würde die Partei offiziell nicht in Erscheinung treten können. Dem steht bereits § 9 Bürgermedien-Satzung entgegen. Danach darf das Programm „nicht einseitig einer Partei, einer Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dienen“.
Um von den richtigen Personen richtig verstanden zu werden, muss die AfD nicht offiziell in Erscheinung treten. Das von ihr vertretene Weltbild, das sich gegen Einwanderung wendet, globalisierungskritisch ist und einen ethnisch-kulturellen Volksbegriff verficht, ist ihr keineswegs zum alleinigen Gebrauch gegeben. Bewegungen wie Pegida pflegen und vertreten ähnliche Narrative, ohne eine Parteiveranstaltung der AfD zu sein.
Dass die AfD mediale Erzeugnisse, die auf den ersten Blick parteiunabhängig sind, für ihre Botschaften nutzt, zeigt das Beispiel des „Deutschland-Kurier“. Die Zeitung wird von dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheit“ herausgegeben und ist damit institutionell parteiunabhängig. Allerdings sind allein 31 der 58 Gastkolumnist:innen Abgeordnete der AfD in verschiedenen Landtagen, im Bundestag sowie im Europaparlament.
Die Otto-Brenner-Stiftung hat in einer Studie „AfD und Medien“ bereits im Jahr 2018 analysiert, dass die AfD intermediären Instanzen grundsätzlich ablehnend gegenüberstehe und sich lieber direkt an „das Volk“ wende. Insofern sind die Bürgermedien für die AfD ein ideales Instrument, denn gerade der Aspekt der direkten Bürgerbeteiligung, der im Kontext der Bürgermedien stets betont wird, macht sie für die Narrative der AfD interessant, inszeniert sie sich doch regelmäßig als letzte und einzige Anwältin direktdemokratischer Elemente.
Was tun?
Die Aufsicht über die Bürgermedien und der Programmgestaltung obliegt der Landesmedienanstalt. Sie führt Programmanalysen durch, in denen sie methodisch überprüft, ob die Bürgerradio und -fernsehsender ihrem publizistischen Auftrag nachkommen, lokal und regional zu berichten, ob sie die ihr vorgegebenen Sendezeiträume ausfüllen und eine ausgewogene Programmgestaltung pflegen. Bei den journalistischen Beiträgen wird etwa analysiert, wie viele Sendeminuten auf Bericht/Characteristic, Satire, Studiogespräch oder Telefoninterview entfallen.
Im Geschäftsbericht der Thüringer Landesmedienanstalt aus dem Jahr 2022 heißt es, dass sich die bürgermedienspezifischen Programmleistungen nicht nur durch Lokalität und Authentizität kennzeichnen, sondern ebenso durch die „Zielgruppenorientierung jenseits des Mainstreams“. Wäre ein Programm, das sich gegen Einwanderung ausspricht, Minderheiten diskriminiert oder den Klimawandel leugnet „jenseits des Mainstreams“ und damit (noch) zulässig? Hierüber kann nur spekuliert werden.
Um einen Missbrauch der Bürgermedien in Thüringen (und den übrigen genannten Ländern) sicherer zu verhindern, ließe sich sowohl die Bürgermedien-Satzung als auch die Bürgermedien-Förderrichtlinie anpassen.
9 Abs. 1 Bürgermedien-Satzung könnte etwa einen Zusatz aufnehmen, dass das Programm nicht nur vielfältig sein muss, sondern zudem nicht in einen Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung treten darf. Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist nicht leicht zu fassen und bereitet im Rahmen der Prüfung immer wieder Schwierigkeiten, wie etwa der Fall des AfD-Landrats Robert Sesselmann gezeigt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst der Begriff „nur jene zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind“, additionally den Grundsatz der Menschenwürde sowie das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Im Rahmen der Programmanalyse müsste die Landesmedienanstalt mithin auch prüfen, ob das Programm sich gegen diese zentralen Grundprinzipien der Verfassung wendet, wenn in der Berichterstattung beispielsweise Minderheit diskriminiert oder ein ethnisch-kulturelle Volksbegriff vertreten wird.
Darüber hinaus ist die Anpassung der Bürgermedien-Förderrichtlinie eine Überlegung wert. § 11 Abs. 3 der Förderrichtlinie könnte um einen Passus ergänzt werden, der eine Erstattungspflicht nicht nur im Fall unrichtiger oder unvollständiger Angaben vorsieht, sondern ebenso, wenn das Programm die elementaren Grundprinzipien der Verfassung missachtet.
In jedem Fall zeigt sich, dass Bürgermedien zu Schlupflöchern antidemokratischer Programmgestaltung werden könnten. Der Aufbau eines offiziellen parteieigenen TV- oder Radiosenders ist, solange die Länder an den Medienstaatsvertrag gebunden sind und das einfache Landesmedienrecht nicht novelliert wurde, vorerst ausgeschlossen. Gleichwohl sollte jede Alternativmöglichkeit, die zum Missbrauch auch nur entfernt einladen könnte, geprüft und rechtlich abgesichert werden. Bei den Bürgermedien, die bislang demokratischen Zielen verpflichtet sind, ist dies nach alledem jedenfalls nicht a priori ausgeschlossen.
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